Winterkarpfen

 

Noch vor wenigen Jahren wurden Angler, die auch während der kalten Wintermonate auf Karpfen angelten, mitleidig belächelt. Aber die Zeiten haben sich geändert. Das Karpfenfischen ist im Laufe der Jahre immer beliebter geworden, und da die Karpfengewässer heute von so vielen Anglern bevölkert werden, sind die Leitsätze von damals nur noch sehr eingeschränkt gültig. Früher verstanden Karpfenangler die ersten Fröste als klares Zeichen, dass es allmählich Zeit wurde, um die Karpfenruten einzumotten und sich wieder auf die Hechtjagd zu konzentrieren. Doch das Karpfenangeln übt einen solch starken Reiz aus, dass heutzutage sehr viele Angler ganzjährig dieser Fischart nachstellen.

 
Vorbereitung Ultraleicht-Angeln Boillies-Anglen

 

Vorbereitung:

Als Neuling muss man vor dem ersten winterlichen Karpfenangeln eine wichtige Hürde überwinden, und zwar die mangelnde Zuversicht. Längst vergangen sind nämlich die idyllischen Sommertage, an denen man den Karpfen bei ihren verlockenden Streifzügen durchs heimische Angelwasser zusehen konnte. Draußen ist es trostlos, und die Seen wirken alles andere als einladend. Gerade jetzt steht und fällt der Erfolg mit der richtigen Grundeinstellung. Man muss sich nur immer wieder einreden, dass die Karpfen trotz der ungemütlichen Witterung auf Nahrungssuche gehen, und dass einem Fangerfolg nichts im Wege steht! Natürlich wissen wir alle, dass es bestimmte Tage gibt, an denen der Karpfen einfach keine Nahrung zu sich nimmt und man ihn folglich auch nicht fangen kann, doch das passiert im Sommer genauso. Wenn der ersehnte Winterkarpfen schließlich doch im Ufergras liegt, überkommt den Angler ein unbeschreibliches Erfolgserlebnis. Der Anblick eines makellos schönen Karpfens, der soeben mitten in einer unwirtlichen und trostlosen Witterung gefangen wurde, hat etwas Erhebendes an sich. Die Farben des Fisches sind ganz bestimmt kräftiger als sonst und leuchten in der schwachen Wintersonne geradezu auf.

Es ist schon sehr viel über Fressphasen, Wassertemperaturen usw. geschrieben worden. Meine Erfahrungen zu diesem Thema sind recht einfach:

Der Karpfen nimmt meiner Meinung nach lieber bei fallenden als bei steigenden Temperaturen Nahrung zu sich. Man kann regelrechte Spitzen und Täler in der Fresskurve erkennen, die mit Temperaturschwankungen einhergehen. Kaum gehen die Temperaturen in den Keller, schon beginnen die Karpfen zu fressen. Wenn sich die Temperatur stabilisiert, verlangsamt sich die Fresstätigkeit wieder. Sobald die Temperatur wieder steigt, hungern die Karpfen so lange, bis die Temperaturverhältnisse wieder stabil sind. Die niedrigste Wassertemperatur, bei der ich jemals einen Karpfen gefangen habe, betrug 3°C. Bei uns schwankt die Wassertemperatur normalerweise zwischen 4° und 10°C. Je nach der geographischen Breite können diese Temperaturen sich leicht nach oben oder unten verschieben, scheint aber grundsätzlich in allen Erdteilen zu gelten, vorausgesetzt, der See friert nicht vollständig zu.

Heute achte ich jedoch stärker auf die Wetterverhältnisse als Ganzes, und nicht nur auf die Temperatur. Tiefdruckgebiete mit bedecktem Himmel und viel Wind sagen mir mit Abstand am meisten zu. Dann brenne ich geradezu darauf, ans Wasser zu kommen, weil ich genau ”weiß”, dass ich etwas fangen werde! Diese Wetterlage gibt der eigenen Zuversicht deutlichen Auftrieb. Ganz im Gegensatz dazu verfällt der Karpfen bei klarem Himmel, völliger Windstille und hohem Luftdruck in eine träge Stimmung, was den Fangaussichten nicht gerade zuträglich ist.

Aber auch das ist nicht immer so, manchmal fängt man trotz aller Hoffnung und des besten Wetters nichts, und beim nächsten mal, wenn man eigentlich nur zur Entspannung ans Wasser wollte und die Wetterlage extrem schlecht erscheint, beißen die schönsten Fische. Wir werden es wohl nie verstehen...

Die Dauer der Nahrungsaufnahme schwankt beträchtlich zwischen Sommer und Winter. Bei warmer Witterung können Karpfen innerhalb von 24 Stunden gut und gerne 12 bis 15 Stunden mit Fressen verbringen. Im Winter fallen diese Freßphasen deutlich kürzer aus - manchmal bis auf eine einzige Stunde innerhalb von 24 Stunden. Das liegt daran, dass sich der Karpfen bei großer Kälte viel weniger bewegt und daher nur sehr wenig Energie umsetzt und kaum Körperfette abbaut. Um seine Reserven wieder aufzufüllen, muss er also nur sehr wenig Nahrung zu sich nehmen.

Dieses Verhalten hat jedoch auch eine gute Seite: Die kurzen, ausgeprägten Fressphasen sind sehr genau vorhersagbar, und an einigen der von mir beangelten Gewässer kann man praktisch die Uhr nach dem Fressverhalten der Karpfen stellen. Natürlich kann man oft erst nach mehreren Angelsitzungen diese Fressphasen einkreisen, doch dann kann man die Angelzeiten an die Fressphasen anpassen und sie somit verkürzen.
Das Auffinden der Fische ist in den Augen vieler ein mit vielen Stolpersteinen gepflastertes, sehr schwieriges Unterfangen.
Einem Mythos zufolge ziehen sich Karpfen bei sinkenden Temperaturen immer ins tiefste Wasser zurück. Ich persönlich konnte dies nur selten beobachten. Statt dessen suche ich lieber nach überhängenden Bäumen, versunkenen Gebüschen, absterbenden Binsengelegen oder Krautbetten, denn der Karpfen liebt es, wenn er irgendeine Art Schutz über sich hat. Wenn das Wasser nicht zu flach ist, trifft man sie an solchen Stellen am ehesten an. Wo immer es möglich ist, angle ich in einer Wassertiefe von 2 bis 4 Metern. Dort ist die Temperatur wesentlich stabiler und die Fresstätigkeit daher besser vorhersagbar. Wenn man die Karpfen erst einmal gefunden hat, kann man ziemlich sicher sein, dass sie ihren Aufenthaltsbereich praktisch den ganzen Winter lang nicht mehr verlassen werden. Obwohl sie sich deutlich weniger bewegen als im Sommer, wälzen sie sich trotzdem gelegentlich oder springen wie im Sommer aus dem Wasser. Darauf gilt es zu achten, denn das könnte auf eine bevorstehende Fressphase hinweisen.

 

Mit Ultraleicht-Montagen auf Winterkarpfen

Ich persönlich bevorzuge im Winter die Angelei mit der Matchrute. Dabei nutze ich natürlich aus, das die meisten Unterwasserhindernisse, die im Sommer den Drill eines großen Karpfen erheblich erschweren würden, im Winter nicht oder nur in abgeschwächter Form die Angelei und besonders den Drill erschweren. Seerosenfelder verwesen jetzt, und auch Schilfgürtel und Wasserpest-Felder sind kein Hindernis mehr. Aufpassen muss man aber natürlich immer noch, Scharkanten, Muschelbänke und versunkene Bäume gibt es auch im Winter. Wenn man seinen Angelplatz gut wählt, bietet sich aber jetzt die Möglichkeit, mit feinsten Montagen zu fischen. Ich nutze jetzt gerne dünne Hauptschnüre (0,12 - 0,10mm) und entsprechende Vorfächer bis hinab zu 0,06mm und dazu passende Haken der Größen 16 bis 22. Dies hört sich jetzt wohl für viele so an, als wollte ich auf Rotaugen stippen - aber auch große Karpfen kann man mit dieser Montage landen! Voraussetzung ist eine weiche Matchrute (möglichst lang, um im Drill besser führen zu können und die brachiale Gewalt des Fisches auf das Gerät ein wenig zu puffern) und eine Rolle, die absolut präzise funktioniert und genau die eingestellte Bremswirkung auch über einen langen Drill ( > 1 Stunde !?) beibehält. Aus den verwendeten Schnurdurchmessern ergibt sich, das die Bremse entsprechend weich justiert werden muss. Eine Ausrüstung mit 0,06mm Vorfach und 22er Haken (etwa 500 - 600g Tragkraft) verzeiht nicht viele Fehler. Wer sich aber mit der Technik auskennt und eventuell im Sommer schon an Rotfedern und dann später an Brassen und kleineren Karpfen geübt hat, wird jetzt im Winter auf seine Kosten kommen. 

Viele Angler werden jetzt einwenden, mit einer solchen Montage könnte man einem wirklich großen Karpfen nichts entgegensetzen - aber das stimmt nicht. Karpfen bis hin zu 25 Pfund sind mit solchen Montagen durchaus zu fangen, bei schwereren Fischen fehlt mit die Erfahrung, weil sie in den von mir befischten Gewässern nicht vorkommen, oder ich sie zumindest noch nicht an den Haken bekam. Aber 25-Pfünder sind ja auch nicht schlecht... 

Außerdem wette ich, das jeder, der einmal mit einer UL-Ausrüstung einen 15-Pfünder gelandet hat, das Erlebnis nie mehr vergessen. 

Dagegen ist das Fischen mit anderer Ausrüstung, insbesondere mit Boilies, eine vergleichsweise langweilige Angelegenheit - obwohl sich auch hier Reize zeigen und die gefangenen Fische im Schnitt natürlich größer sind. Beim Fischen mit leichter Ausrüstung kann man fast jeden Fisch fangen, und so kommt eventuell auch erst viel später Langeweile auf. Aber wie füttert man gezielt auf Winterkarpfen, um nicht am laufenden Band Rotfedern zu fangen? Kontinuität ist hier das Zauberwort. Ich füttere in solchen Fällen meist etwa 1 Woche lang 40 - 50 Maiskörner pro Tag an einem möglichst kleinen und genau definierten Futterplatz. Hierbei sollte man natürlich darauf achten, das dieser Platz sich auf einer der Fressrouten der Karpfen befindet. Diese verlagern sich vom Sommer zum Winter hin immer mehr und werden kürzer, bis nach einer gewissen Zeit nur noch eine "Hot Spots" übrig sind. An diesen Stellen kann man dann aber immer mit Fischen rechnen. Hier sollte man dann aber auch besonders vorsichtig zu Werke gehen, gerade im Winter scheinen die Fische noch empfindlicher auf Erschütterungen und andere Geräusche zu reagieren. Auch zu starkes Anfüttern ist jetzt sehr gefährlich, da die Fische nur sehr wenig fressen. Sollte zu viel angefüttert werden, beginnen die Reste am Gewässergrund zu verwesen und verschrecken dadurch die Fische.

 

Mit Boilies auf Winterkarpfen


Viele Angler bevorzuge Boilies, um im Winter den Karpfen nachzustellen. Sie bieten den Vorteil, dass sie über einen langen Zeitraum hinweg fressbar bleiben. Wenn also die angefütterten Kostproben nicht gleich am selben Tag gefressen werden, nimmt sie der Karpfen möglicherweise am nächsten oder am übernächsten Tag an. Die außerordentlich gut löslichen Aromastoffe, die wir den Boilies zusetzen, helfen dem Karpfen beim Erschnuppern der künstlichen Wintervorratskammer und bleiben auch unter Wasser viele Tage lang wirksam.
Im eigentlichen Anfüttern liegt der Schlüssel zum Fangerfolg im Winter, und es sollte unbedingt nach dem Prinzip ”wenig, aber oft” durchgeführt werden. Man kann Karpfen sehr leicht überfüttern, und dadurch wird ihr Fang natürlich um einiges schwieriger. Wenn es mir möglich ist, schaue ich alle paar Tage am Angelwasser vorbei und füttere vor der voraussichtlichen Fressphase ein wenig an. Anstatt nur einen Bereich anzufüttern, decke ich gleich mehrere ab, damit ich eine Ausweichmöglichkeit habe, falls der erste Platz schon besetzt ist oder die Karpfen launisch werden. Es ist sehr schwierig, die genaue Zahl der anzufütternden Köder zu berechnen. Ich versuche mir immer vorzustellen, wie viele Karpfen wohl an der betreffenden Stelle sein mögen und rechne dann pro Karpfen ca. 10 Boilies alle 24 Stunden.

Um genau anfüttern zu können, verwende ich eine Montage, die manchmal scherzhaft als ‘Headache Rig’ (Kopfweh-Rig) bezeichnet wird. Es handelt sich nicht um ein Angel-Rig, sondern um eine reine Anfüttermontage. Auf die Hauptschnur wird ein freilaufendes Bodenblei gefädelt, dann kommt ans Schnurende ein Wirbel, an dessen freies Öhr man ein ca. 23 cm langes und 0,18 kg) starkes Stück Monofilschnur knüpft. Das Ende dieser Schnurverbindung bindet man zu einer Schlaufe. Die Gratisboilies werden dann mit einer Boilienadel auf dieses Schnurstück gefädelt und eine kleine wasserlösliche Tablette, z.B. Alka Seltzer (für das Gewässer dürfe aber wohl eine Brausetablette besser sein), in der Schlaufe platziert. Dann wird das Rig in den Angelbereich eingeworfen, und wenn sich die Tablette nach etwa einer Minute aufgelöst hat, schlägt man leicht an. Auf diese Weise wird der Köder an der gewünschten Stelle sehr präzise und verlustfrei ohne Überfütterungsgefahr ausgelegt - außerdem wirkt die Methode sehr abschreckend auf Enten und Möwen.

Das Rig besteht aus einer einfachen Helikopter-Montage. Am eigentlichen Angeltag gebe ich keine Kostproben mehr ins Wasser. Ich verwende ein gewöhnliches Haar-Rig mit ein oder zwei Boilies, die ich mit einigen aufgefädelten Boilies kombiniere. Dabei werden drei oder vier Boilies auf einen PVA-Faden aufgefädelt.
Im Wasser zieht sich der PVA-Faden zunächst zusammen, bevor er sich auflöst. Dadurch verteilen sich die Kostproben ca. 2 - 3 cm vom beköderten Rig. So befinden sich schließlich in einem engen Bereich vier oder fünf Köder, die ungefähr die richtige Aromakonzentration haben, um den Karpfen an die Futterstelle lenken zu können. Ansonsten gibt es im gesamten Angelbereich keinerlei Kostproben, folglich werden die Karpfen auch nicht überfüttert.

Mit diesen Montagen hatte ich in den zurückliegenden Jahren außerordentlich viel Erfolg. Obgleich man bei kalter Witterung mit allen möglichen Boilie-Aromen Fische fangen kann, bevorzuge ich fruchtige Geschmacksrichtungen wie z.B. Tutti Frutti und Strawberry Cream.
Wenn Sie sich noch nie mit dem Karpfenangeln im Winter befasst haben, sollten Sie jetzt einmal die Gelegenheit ergreifen - man kann nie wissen, was einem da an die Angel geht.